Wertstromanalyse in der Digitalisierung - Teil I

Vorbereitungen und Materialfluss

In einem früheren Beitrag haben wir uns bereits mit Prozessen als Grundlage für die Digitalisierung auseinandergesetzt. Die zentrale Erkenntnis war, dass es  zunächst notwendig ist, einen formalisierten Überblick über die Produktionsprozesse zu erhalten. Dieser dient der Kommunikation mit allen Beteiligten und reduziert die Probleme durch Unklarheiten und Missverständnisse. 

Für die Digitalsierung der Produktionsprozesse sind vor allem die Informationsflüsse von besonderer Bedeutung. Sie müssen aber im Kontext der Produktion und der entsprechenden Materialflüsse betrachtet werden. Die Wertstromanalyse bietet eine gute Methode, um die Zusammenhänge zwischen den Materialflüssen, Informationsflüssen und Produktionsprozessen zu analysieren und damit den Grundstein für die erfolgreiche Digitalisierung des Produktionssystems zu legen. Wir gehen in diesem Artikel zunächst auf die Vorbereitung der Wertstromanalyse und die Aufnahmen der Materialflüsse ein. Im nächsten Beitrag werden wir dann die Analyse der Informationsflüsse und der Ableitungen für die Digitalisierung näher beleuchten.

Zielsetzung und Teamzusammenstellung

Wie in allen Bereichen der Veränderung ist es wichtig, dass die Zielsetzungen klar definiert und kommuniziert werden. Zudem muss das Team alle wesentlichen Rollen umfassen, die an der Digitalisierung und Optimierung der Produktionssysteme beteiligt sind.

Übergeordnete Zielsetzung festlegen und Prozess abgrenzen

Der erste wichtige Schritt ist es, das übergeordnete Ziel der Wertstromanalyse festzulegen. Diese Zielsetzung, die durch die Führung der Produktion definiert wird, ist ein wichtiger Bestandteil, damit die Ergebnisse und Veränderungen akzeptiert werden und die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Im Bezug auf die Digitalisierung ist die Zielsetzung der Wertstromanalyse

Aus der Zielsetzung muss auch die Prozesskette, die im Rahmen der Wertstromanalyse betrachtet wird, sinnvoll abgegrenzt werden. Als Kriterien zu Auswahl können unter anderem der Anteil am gesamten Produktionsvolumen, die strategische Bedeutung einer Produktgruppe oder das erwartete Potenzial von Optimierungen herangezogen werden.

Schaffen Sie einen Fokus. Dadurch erhöhen Sie die Ergebnisqualität und -quantität, weil Sie nicht so viele Zeit auf Nebenaspekte verschwenden.

Im weiteren Verlauf der Wertstromanalyse sollten alle Beteiligten darauf achten, die gesetzten Grenzen einzuhalten und zu beachten, denn sie erhöhen die Qualität und die Quantität der Workshopergebnisse enorm. Damit die Nebenaspekte, die im weiteren Verlauf des Workshops auftreten werden, nicht verloren gehen, sollten Sie einen Ort zur Sammlung dieser einrichten. Nach unserer Erfahrung eignet sich ein Flipchart, das etwas abseits aufgestellt wird, hier besonders gut.

 

Team zusammenstellen

Zentral für den Erfolg der Wertstromanalyse ist die richtige Zusammensetzung des Teams. Einerseits beeinflusst das Team natürlich die Qualität der Analyse und der Ergebnisse maßgeblich, anderseits ist es für die Akzeptanz und die Wirksamkeit der später abgeleiteten Maßnahmen von großer Bedeutung, dass die richtigen Personen beteiligt waren.

Das Team sollte aus Vertretern aller Stakeholder des Produktionsprozesses bzw. der abgeleiteten Maßnahmen bestehen. Da alle Funktionen eines produzierenden Unternehmens grundsätzlich ein Interesse an der Produktion bzw. Einfluss auf diese haben, sollten also grundsätzlich alle Funktionen involviert sein. Ein Workshop mit allen Beteiligten wäre allerdings sehr ineffizient.

Daher sollten Sie zusätzlich ein Kernteam aus 5 bis 8 Personen bestimmen. Aus Perspektive der Digitalisierung des Produktionssystems sollten mindestens diese Rollen innerhalb des Kernteams vertreten sein:

  • Produktionsmanagement
  • ProduktionsmitarbeiterIn
  • Schnittstelle zwischen IT und Produktion
  • Qualitätssicherung/-management
  • Produktionsplanung und -steuerung
    Je nach Größe Ihrer Produktion kann es natürlich sinnvoll sein, dass einige dieser Rollen durch eine Person ausgefüllt werden. Zudem sollten auch zwei bis drei MitarbeiterInnen der Produktion zum Kernteam gehören.

Das erweiterte Team sollte folgende Rollen umfassen:

  • MitarbeiterInnen, VorarbeiterInnen oder MeisterInnen der einzelnen Produktionsprozesse
  • Einkauf
  • Vertrieb
  • Controlling

Der Workshop

Die Wertstromanalyse sollte in einem Workshop durchgeführt werden, der je nach Komplexität des Produktionsprozesses ein bis fünf Tage dauert. Er teilt sich grob in die Phasen der Durchführung und der Ableitung von Maßnahmen ein.

Visualisierung

Die Systematik der Wertstromanalyse hat einen standardisierten Satz von Symbolen, mit denen die Prozesse und Zusammenhänge im Produktionssystem visualisiert werden. Diese Symbole zeichnen sich dadurch aus, dass sie die komplexen Vorgänge innerhalb der Produktion prägnant und verständlich auf den Punkt bringen.

Um eine verständliche und übersichtliche Visualisierung der Prozesse zu ermöglichen, sollte zunächst einmal viel Platz zur Verfügung stehen. Gerade im Verlauf eines Workshops wird die Visualisierung immer wieder umstrukturiert, einzelne Elemente verschieben sich und neue Informationen kommen hinzu. Dies sollte nicht von Beginn an durch zu geringen Platz limitiert werden. Unsere Empfehlung ist es, eine Wand eines ausreichend großen Raums nutzbar zu machen und eventuell mit einer Papierunterlage vorzubereiten.

Um die Arbeit mit der Visualisierung zu begünstigen und Änderungen schneller vornehmen zu können, bietet es sich zudem an, im frühen Stadium zunächst Klebezettel einzusetzen. Hier können Sie mit unterschiedlichen Farben und Größen bereits eine Strukturierung vornehmen.

Grunddaten sammeln

Nachdem die Prozesskette, die analysiert werden soll, ausgewählt wurde, sollten zunächst die Grunddaten aufgenommen werden. Dazu zählen beispielsweise die Liefermengen des Produkts, die verfügbare Arbeitszeit und der daraus berechnete Kundentakt.

Laden Sie Kund:innen zu einem Interview ein. Dadurch bringen Sie ihnen Kund:innnen einerseits Wertschätzung entgegen und sorgen anderseits für Verständnis innerhalb Ihrer Produktion für die Kundenanforderungen. Dies erhöht die Akzeptanz der abgeleiteten Maßnahmen enorm.

Zudem eignet sich die Wertstromanalyse noch einmal sehr gut, um die Anforderungen der Kunden zu verstehen und allen deutlich zu machen. Dazu eignet sich ein Gespräch mit einem Vertreter der Kunden am besten. In einem Interview kann der Kunde seine Perspektive auf das Unternehmen, die Leistung und seine Erwartungen beschreiben. Da alle wesentlichen Akteure der Produktion in die Wertstromanalyse eingebunden sind, kann die Kundenorientierung und das Verständnis für die Kundenanforderungen deutlich erhöht werden. Den Kundenbeziehungen kann ein solches Interview durch die gezeigte Wertschätzung ebenfalls zuträglich sein.

Materialfluss aufnehmen

Der nächste Schritt ist die Aufnahme des Materialflusses und der groben Prozesskette, beginnend bei den KundInnen. Führen Sie daraufhin die einzelnen Produktionsschritte auf, bis Sie bei Ihren Lieferanten angekommen sind.

Gehen Sie flussaufwärts

Der Verlauf sollte immer vom Kunden zum Lieferanten gehen - auch bei den internen Beziehungen. So erhöhen Sie den Kundenfokus und erhalten häufig schon die ersten Aha-Erlebnisse in Bezug auf die Anforderungen.

Als nächsten Schritt verzeichnen Sie die Lager und Materialflüsse zwischen den Prozessschritte, wieder flussaufwärts vom Kunden zum Lieferanten. Die Materialflüsse und -lager werden in folgende Kategorien unterteilt:

  • One-Piece-Flow mit Fifo
  • Pull
  • Push

Erst einmal bis hier her...

Nun haben Sie bereits einen guten Überblick über die Prozesskette und können nun beginnen, die Askpekte, die für die Digitalisierung des Produktionssystems von besonderen Bedeutung sind, aufzunehmen.

Diesem Abschnitt des Wertstromworkshops werden wir uns im nächsten Beitrag widmen.

Update: Der zweite Teil ist online