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Vorteile der Digitalisierung von Produktionsprozessen

Auch wenn es mittlerweile in Medienberichten, Konferenzbeiträgen oder Blogs so wirkt, ist die Digitalisierung von Produktionsprozessen kein Selbstzweck. Vielmehr kann die Digitalisierung dafür genutzt werden, bestehende Prozesse in der Produktion effizienter zu machen und neue Prozesse zu ermöglichen. An dieser Stelle möchten wir darauf eingehen, welche Vorteile die Digitalisierung Ihrer Produktionsprozesse haben kann.

Prozesse standardisieren

Seit Taiichi Ōno 1988 das Buch Toyota Production System: Beyond Large-Scale Production auf Englisch veröffentlichte, hat sich Lean Management als zentrale Methodensammlung zur Organisation und Optimierung von Produktionsprozessen durchgesetzt. Die Grundzüge des Lean Managements, wie zum Beispiel die Beseitigung der 5S (im deutschen auch 5A), dem Weg zum Besseren (Kaizen) oder das Visuelle Management finden in vielen Produktionsstätten rund um den Globus Anwendung.

Die Methoden des Lean Managements zielen darauf ab, die Wiederholbarkeit von Prozessen zu maximieren und nach Möglichkeit die Schwankungen von Prozessvariablen zu elimieren. Um zu verstehen, wie die Digitalisierung dies unterstützt, gehen wir auf zwei Beispiele ein.

Seit einigen Wochen ist die Lackieranlage das Sorgenkind der Fabrik. Sie fällt häufig aus und die Qualität der Lackierung ist nicht ausreichend. Die InstandhalterInnen arbeiten im Drei-Schicht-System rund um die Uhr an einer Lösung des Problems.

Früher hatten viele InstandhalterInnen ihr eigenes Notizbuch, in das Sie ihre Reparaturmaßnahmen und Diagnosen zur Ursache schrieben. Es gab zwar auch ein Logbuch für jede Maschine, dieses lag allerdings im Büro der Schichtleitung und der Schichtwechsel kam häufig zu früh für eine genaue Dokumentation der Fehlerursachen. Falls überhaupt, wurden nur die Maßnahmen, wie "Keilriemen getauscht", "Motor gewechselt" oder "Öl aufgefüllt", dokumentiert.

Heute ist an der Lackieranlage über ein Terminal eine Instandhaltungssoftware verfügbar. Hier werden die Fehler, die Diagnose der Ursache und die getroffenen Reparaturmaßnahmen eingetragen. Da die Lackieranlage über eine Schnittstelle verfügt, werden auch alle Warnungen und Fehlercodes, die sonst im Maschinenspeicher zugänglich waren, aufgeführt. So haben InstandhalterInnen dort die Möglichkeit nach der Ursache eines Fehlers zu suchen. Die Verfügbarkeit der Informationen führt außerdem dazu, dass die Ursachen für Fehler besser ermittelt werden und damit die Grundursachen besser abgestellt werden können. Dadurch steigert sich die Maschinenverfügbarkeit und die Qualität wird verbessert.

Ein Arbeitsplatz besteht aus einer Drehmaschine. Arbeitsaufgabe ist es, das Werkstück zu drehen und abhängig von den Kundenanforderungen unterschiedliche Messungen vorzunehmen. Für den Kunden A wird der Innendurchmesser und die Oberflächenrauheit an der Mantelfläche als Messmerkmal benötigt, für den Kunden B ist zusätzlich eine Messung der elektrischen Leitfähigkeit notwendig.

Früher wurden die erfassten Messmerkmale auf einem Prüfblatt, das den Arbeitspapieren angehängt war, erfasst. Dieses wurde an den/die VorarbeiterIn gegeben. Hier wurden die Papiere gegengeprüft und danach an den nachfolgenden Arbeitsplatz weitergegeben. Es kam vor, dass einzelne Messmerkmale nicht erfasst wurden und Nacharbeit notwendig war. Dann musste das Produkt erst wieder aus dem Lager geholt und die entsprechenden Prüfungen durchgeführt werden.

Durch eine Rückmeldung am Arbeitsplatz und die digitale Erfassung der Messmerkmale wurde diese Fehlerquelle abgeschafft. Der Abschluss des Arbeitsgangs ist erst möglich, sobald alle notwendigen Messmerkmale in die digitale Messmerkmalserfassung eingetragen wurden. Zusätzlich hat der/die VorarbeiterIn jetzt mehr Kapazitäten, um sich um die Verbesserung der Abläufe in der Schicht zu kümmern.

Anhand dieser Beispiele ist zu erkennen, dass einerseits die Verfügbarkeit von Informationen am Arbeitsplatz und andererseits die Erfassung von Daten aus dem Prozess die Standardisierung vorantreiben. Durch definierte Eingabemöglichkeiten und die direkte Validierung der Daten können Mitarbeitende angeleitet werden, die Prüfungen wie geplant durchzuführen. Zudem ist es einfacher sicherzustellen, dass alle notwendigen Prüfungen durchgeführt wurden.

Die Digitalisierung ist also zunächst einmal ein Schritt, um die Standardisierungsansätze, die es bereits seit langer Zeit im Produktionsmanagement gibt, fortzuführen und effizienter zu gestalten.
 

Daten erheben

Sowohl Rechen- als auch Speicherkapazität ist in der jüngeren Vergangenheit immer günstiger geworden. Dies ermöglicht es erst, Daten in dem Umfang zu speichern, den wir heute kennen. Insbesondere die Industrie steht momentan allerdings vor dem Problem noch nicht genau zu wissen, wie diese Daten für eine Verbesserung der Wettbewerbsposition eingesetzt werden können.

Produktionshallen und Fabriken sind sehr komplexe Systeme. Viele unterschiedliche Faktoren müssen ineinandergreifen, um ein Produkt qualitativ angemessen und effizient herzustellen. Beginnend bei der Qualität von Rohstoffen oder Halbzeugen über die Bereitstellung am Arbeitsplatz, die Überwachung von Prozessparametern bis hin zu Transferzeiten und Dokumentationsanforderungen kann dieses System aus dem Gleichgewicht gebracht werden und die Ergebnisse nicht den Erwartungen entsprechen. Dies erfordert Neuproduktion, Nacharbeit oder es kommt zu Reklamationen.

Wer einen Fehler gemacht hat und nicht korrigiert, begeht einen zweiten.

Konfuzius (551 - 479 v. Chr.)

Eine wichtige Aufgabe des Produktionsmanagments ist es, zu verhindern, dass diese Kosten mehrmals entstehen. Dazu wird das Zustandekommen des Fehlers analyisiert, häufig unter der Verwendung von Ursachenanalyse und anderen Problemlösungsmethoden. Ziel ist es, die Grundursache abzustellen. Die Komplexität der Produktion sorgt hier aber dafür, dass bei der Analyse des Fehlers häufig Annahmen getroffen werden müssen. Die Validierung von Hypothesen ist meistens zeitaufwändig. Hier bietet die Speicherung einer großen Anzahl an unterschiedlichen Daten, die einfach verfügbar sind, Zeit- und Kostenvorteile. Es ist deutlich einfacher zu überprüfen, ob die Einstellungen einer Maschine der Planung entsprachen, wenn sie zentral abrufbar sind, als wenn diese handschriftlich auf dem Arbeitsplan vermerkt sind. Selbiges gilt über das Abschätzen des Abnutzungszustandes der Maschine oder den Zeitpunkt der letzten Schulung des Mitarbeiters. Wie einfach wäre es, wenn alle Informationen zu durchgeführten Wartungen statt in den Notizbüchern der Techniker im System dokumentiert und eingesehen werden könnten?

Gleiches gilt auch für die zweite wichtige Aufgabe des Produktionsmanagements. Für die Optimierung der Produktionsprozesse ist es notwendig, zunächst die größten Probleme herauszufinden. Unabhängig davon, ob es um die Reduzierung von Durchlaufzeiten, die Erhöhung der Liefertermintreue oder die Erhöhung der Effizienz geht, sind Daten für alle Phasen des Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses unumgänglich.

Diese zu erfassen und vorzuhalten ist ein wesentlicher Bestandteil der Digitalisierung. Die Verfügbarkeit von Daten unterstützt das Produktionsmanagement direkt und ermöglicht es, die Anforderungen an die Produktion schneller, günstiger und besser umzusetzen.

Kennzahlen nutzen

Eine wichtige Aufgabe des Managements ist es, die Strategie des Unternehmens festzulegen und die Umsetzung dieser Strategie auf allen Ebenen voranzutreiben. Für die Umsetzung muss der Beitrag, den einzelne Abteilungen oder Organisationeinheiten leisten müssen, auf diese heruntergebrochen werden. Hierfür können Key Performance Indicators (KPI) genutzt werden, die die Leistungsfähigkeit von einzelnen Bereichen beschreiben (In diesem Blogbeitrag gehen wir auf die Funktionen von KPI ein).

Die Ermittlung von KPI setzt die Verfügbarkeit von Daten voraus. Im vorherigen Abschnitt sind wir auf die Vorteile der Digitalisierung in Bezug auf die Datenerhebung eingegangen. Ein weiterer Vorteil der Digitalisierung ist, dass die Daten laufend ausgewertet werden können. Dadurch können Abweichungen vom Soll-Zustand schneller erkannt werden und die Reaktion wird vereinfacht.

Ein wichtiger Faktor für die Nutzung von Kennzahlen im Produktionsmanagement ist, dass diese verfügbar sind. Durch die Nutzung entsprechender Dashboards wird erreicht, dass der aktuelle Leistungsstand für jeden jederzeit ersichtlich und bewusst ist. Dies ist ein wichtiger Schritt zu einer Organisationskultur, die auf Leistung und Kundennutzen ausgerichtet ist.

Informationen gewinnen

Die Verbesserung von Produkten und Prozessen hängt im hohen Maße davon ab, Informationen und Wissen zu generieren und dieses in die Optimierung wieder einfließen zu lassen. Diesem Grundsatz unterliegen die Verbesserungsroutinen PDCA oder DMAIC, die elementarer Bestanteil des Lean Managements oder von anderen Managementsystemen sind.

In der hoch entwickelten Industrielandschaft, die wir in Europa haben, ist viel Wissen bereits verfügbar und wird aktiv genutzt. Das allgemeine Wissen, das an den Forschungseinrichtungen erarbeitet wurde und sich auf übergeordnete Prozesse und Verfahrensweisen bezieht, wird in der Praxis angewendet. Das Wissen, welches die Wettbewerbsfähigkeit von produzierenden Unternehmen maßgeblich beeinflusst, ist aber wesentlich spezieller und häufig implizit, also bei einzelnen MitarbeiterInnen, vorhanden. Durch die Digitalisierung kann dieses Wissen explizit für das Unternehmen verfügbar gemacht werden.

Dabei spielt einerseits bereits das Projekt der Digitalisierung eine wichtige Rolle. Denn durch die intensive Auseinandersetzung mit dem Prozess wird das Wissen besprochen und in die Prozessgestaltung einbezogen. Anderseits können Zusammenhänge, die nicht offensichtlich, sondern häufig im Gefühl der Mitarbeiter liegen, durch Daten bereichert und bestätigt werden.

Visionen umsetzten und Zukunft sichern

Eine weitere wichtige Überlegung, die man bei der Entscheidung, wie und wann die Produktion digitalisiert werden soll, ist der Blick in die Zukunft. Wie eingangs festgestellt, hat die Durchsetzung des Lean Managements mittlerweile fast alle Unternehmen erreicht. Es gibt nur wenige produzierende Unternehmen, die noch ohne Visuelles Management, Wertstromanalysen oder der PDCA-Systematik arbeiten. Die nächsten Innovationen des Produktionsmanagements werden durch die Digitalisierung getrieben sein.

Aktuell bestimmen Themen wie Künstliche Intelligenz (KI), autonome Arbeitssysteme und Cyber-Physische Produktionssysteme die Debatte um die Zukunft des Produktionsmanagements. Auch wenn sich diese Themen noch in den frühen Phasen des Hype-Zyklus befinden, können wir davon ausgehen, dass einige dieser Visionen die nächsten Umbrüche innerhalb der Produktion abbilden werden.

All diesen Technologien liegt zugrunde, dass sie auf digitale Infrastruktur, vorhandende Stamm- und Bewegungsdaten in hoher Qualität und ausreichende Kompentenzen und Prozesse angewiesen sind. Die Digitalisierung des Produktionssystems ist der wichtigste Schritt, diese Voraussetzungen zu schaffen.

Dementsprechend ist die Digitalisierung heute ein wichtiger Faktor für das Risikomanagement und die Innovationskraft der Zukunft.

Zusammenfassung

Die Digitalisierung der Produktion ist der nächste logische Schritt zur Erhöhung der Produktivität und der Verbesserung von Produktionsprozessen. Informationen und Wissen können günstiger gewonnen, Kundenanforderungen besser erfüllt und Innovationen schneller eingeführt werden. Unserer Ansicht nach ist die Digitalisierung aus diesen Gründen alternativlos.

Natürlich ist die Digitalisierung des Produktionssystems keine einfache Aufgabe und es gibt einige Risiken und Probleme. Auf diese gehen wir an dieser Stelle ein.

Sie wollen auch von den Vorteilen der Digitalisierung profitieren und wünschen sich Unterstützung? Kontaktieren Sie uns gerne!