Kulturelle Faktoren für den Erfolg der Digitalisierung
Mit Digitalisierungsprojekten im Produktionsumfeld wird häufig das Ziel verfolgt, Kosten einzusparen, Durchlaufzeiten zu reduzieren oder die Produktqualität zu verbessern. Damit die Ziele aber erreicht werden können, ist es mindestens genau so wichtig, dass die Kultur des Produktionssystems an die Digitalisierung angepasst ist.
Unternehmenskultur ist ein sehr schwammiger Begriff, bei dem sich die Wissenschaft noch nicht einmal einig ist, ob man sie messen kann oder nicht. Daher wollen wir in diesem Beitrag zeigen, welche Faktoren der Unternehmenskultur den größten Einfluss auf den Erfolg der Digitalisierung haben und daher die wesentlichen Säulen der Digital Industrial Engineering Culture sind.
Prozessorientierung
Die Digitalisierung von Produktionssystemen zeichnet sich durch die allgegenwärtige Erfassung und Auswertung von Daten aus. Aus diesen Daten können Informationen gewonnen und Wissen über das Produktionssystem und die internen und externen Zusammenhänge gewonnen werden. Zum Beispiel kann der Einfluss von Maschinenzuständen auf die Produktqualität untersucht werden. Mit diesem Wissen werden Entscheidungen über Wartungsintervall und -umfänge getroffen, um den wirtschaftlichsten Punkt zwischen Wartungsaufwand und Qualitätskosten zu erreichen.
Um aus den Daten Zusammenhänge abzuleiten und vor allem um entsprechende Maßnahmen zu planen und zu beschließen, ist ein hohes Maß an Prozessorientierung notwendig.
Die Prozessorientierung ist ein Grundsatz vieler Managementsysteme (z.B. Qualitätsmanagement nach DIN EN ISO 9001, DIN EN 9100). Sie beschreibt, dass die Aktivitäten innerhalb des Unternehmens in Prozesse eingeteilt sind. Diesen sind Ziele zugeordnet, sie haben bestimmte Input- und Output-Faktoren und sie sind beherrscht und reproduzierbar.
Im Kontext der Digitalisierung stellt die Prozessorientierung einen Rahmen für die Planung und Verbesserung von IT-Unterstützung bereit. Dadurch, dass die Ziele einzelner Produktionsschritte klar formuliert sind, findet man schnell den richtigen Ansatzpunkt für die Einführung einer Datenerfassung.
Die Produktion besteht aber nicht aus einzelnen, isoliert zu betrachtenden Prozessen. Auch bei verketteten Prozessen bietet die Prozessorientierung den notwendigen Rahmen, mit dem die Möglichkeiten der Digitalisierung kontinuierliche ausgebaut und vertieft werden können. Im Beispiel der Anlage von oben, könnte ein Einfluss der Härte des verarbeiteten Halbzeugs auf die Abnutzung der Werkzeuge erkannt werden. Aus dieser Erkenntnis heraus wird die Warmbehandlung zusätzlich digital überwacht und die es können neue Erkenntnisse und Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen erfolgen.
Fehlerkultur
Die Optimierung von Produktionssystemen basiert darauf, Verschwendungen zu reduzieren. Eine der wesentlichen Verschwendungen sind Fehler. Ihre Beseitigung durch Nacharbeit oder Neufertigung verursachen nicht nur zusätzliche Kosten. Sie haben ebenfalls einen großen Einfluss auf die Genauigkeit der Produktionsplanung, der Liefertermintreue und damit auch auf die Kundenzufriedenheit.
Um Fehler nachhaltig zu vermeiden müssen die Grundursachen gefunden und durch Gegenmaßnahmen abgestellt werden. Dabei kann die Digitalisierung helfen, denn die umfassende Datenerfassung kann viele Hinweise auf die möglichen Ursachen liefern, zum Beispiel:
- bisherigen Fertigungsverlauf,
- Eigenschaften von Vorprodukten,
- Vorkommnisse während des Prozesses, bei dem der Fehler aufgetreten ist
Dadurch fällt es leichter, Grundursachen zu finden oder auszuschließen. Dies erhöht die Effektivität und Effizienz von Gegenmaßnahmen.
Doch um von diesen Möglichkeiten zu profitieren, muss es ein Bewusstsein für den richtigen Umgang mit Fehlern geben. Denn die Analyse von Grundursachen erfordert das Wissen von Mitarbeiter:innen auf allen Ebenen des Produktionssystems. Auch die Gegenmaßnahmen müssen durch unterschiedliche Stufen getragen und durchgeführt werden. Ein verständlicher und stringenter Prozess zum Umgang mit Fehlern und ein Bewusstsein für diesen Prozess hilft enorm, um Fehler nachhaltig zu beseitigen und Verschwendungen zu reduzieren.
Die Fehlerkultur ist nicht nur auf Produktfehler anwendbar. Gleiches gilt im Rahmen der Digitalisierung für die Nutzung von IT-Systemen, die Erfassung von Daten und die Beschreibung von Vorfällen. Wenn sich in der Produktion eine konstruktive Fehlerkultur etabliert ist, fällt es leichter, neue IT-Systeme einzuführen. Denn einerseits werden die Mitarbeiter:innen weniger Berührungsängste haben, andererseits werden auch die Fehler und Verschwendungen der Software (beispielsweise in der Benutzerführung oder bei unnötigen Datenerfassungen) Teil der Verbesserungsroutine.
Innovationsfreude und Datenorientierung
Die Digitalisierung hat unser Leben in den letzten Jahren massiv verändert und wird dies auch in der Zukunft tun. Gerade im Bereich der Software sind die Entwicklungszyklen sehr kurz, teilweise werden neue Funktionen innerhalb von Tagen oder Wochen eingeführt. Durch dieses Tempo ergeben sich Wettbewerbsvorteile, allerdings muss sowohl das Produktionsmanagement als auch die IT darauf ausgerichtet sein, dieses Tempo einzusetzen. Denn neue Funktionen müssen getestet werden, die Kompatibilität mit den Produktionsprozessen muss sichergestellt sein und es müssen Anforderungen aus Normen und Kundenanforderungen umgesetzt werden.
Neue Funktionen in die IT-Landschaft zu integrieren, die Möglichkeiten der Digitalisierung und der Technologie auszureizen und die Menschen mitzunehmen, erfordert Überzeugung und Begeisterung für die Digitalisierung. Diese Innovationsfreude und -freundlichkeit wird durch das Unternehmen maßgeblich beeinflusst. Die Treiber:innen der Digitalisierung müssen unterstützt werden um nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Zudem muss es die Möglichkeit zum Experimentieren mit IT-Systemen und Technologien geben, um den Horizont zu erweitern und neue Inspirationen und Ideen zu bekommen.
Strategie und Transparenz
Die Unternehmensstrategie ist ein wichtiger Teil der Kommunikation zwischen Führung und den Mitarbeiter:innen auf allen Ebenen des Unternehmens. Sie definiert die Ziele für das Unternehmen und die mittelfristigen Entwicklungsperspektiven, an ihr werden Optimierungsprojekte ausgerichtet und Prioritäten festgelegt. Durch die Verankerung der Digitalisierung in der Unternehmensstrategie werden nicht nur die Verantwortlichen motiviert, sondern sie erhalten Unterstützung bei der Kommunikation der Relevanz des Themas. Dies erhöht die Akzeptanz innerhalb des Produktionssystems enorm.
Zudem sollten die Digitalisierung und die Auswirkungen der Datenerfassung frühzeitig mit den Betroffenen kommuniziert werden. Dadurch wird die Bereitschaft der Mitarbeit und Nutzung der IT-Systeme deutlich erhöht und das Risiko von Auseinandersetzungen - beispielsweise mit dem Betriebsrat - verringert. Zudem kann das Feedback der Anwender:innen frühzeitig aufgenommen und verarbeitet werden und es kommt nicht zu teuren Fehlinvestitionen.
Zusammenfassung und Fazit
In diesem Beitrag haben wir uns mit den wesentlichen Aspekten der Digital Industrial Engineering Culture beschäftigt. Sie sind
- Prozessorientierung
- Fehlerkultur
- Innovationsfreude und Datenorientierung
- Strategie und Transparenz.
Diese Aspekte sind Teil der Unternehmenskultur. Wie in der Einleitung beschrieben, ist es schwierig, diese Faktoren zu messen. Sie haben jedoch einen großen Einfluss auf den Erfolg der Digitalisierungsanstrengungen.
Um die Unternehmenskultur nachhaltig zu entwickeln und die Wettbewerbsvorteile der Digitalisierung umsetzen zu können, ist es notwendig, sich mit den kulturellen Auswirkungen zu beschäftigen und diese zu gestalten. Dieser Prozess muss professionell begleitet werden und benötigt ausreichende Ressourcen.
Viele Digitalisierungsprojekte scheitern daran, dass diese Ressourcen nicht bereitgestellt werden. Der Grund dafür ist, das die kulturellen Implikationen nicht beachtet werden. Mit der Digital Industrial Engineering Culture wollen wir dabei helfen, die kulturellen Aspekte der Digitalisierung hervorheben und damit zu nachhaltigen Umsetzung der Digitalisierung beitragen.